Maria Peters



THE BIG TRANSFORMATION

Project-Statement PARALLEL Vienna 2023

Ausstellungsbesprechung von Dr. Gunter Bakay:

Peters´ ironische Anmerkungen zum Noch-Status quo

Das Generalthema des Projekts ist die Auflösung der uns bekannten Welt: die Verwandlung von Lebens- und Arbeitsweisen so gut wie von biologischen Lebensformen. Menschen, Tiere, Pflanzen – alles kann zum Gegenstand genetischer, mechanischer oder digitaler Manipulation werden oder fällt sonst wie der großen Transformation zum Opfer. In jedem Falle ist die terrestrische Zukunft so unvorhersehbar geworden wie nie zuvor, beziehungsweise war uns noch nie zuvor so schmerzhaft bewusst, dass sie völlig unvorhersehbar und wohl auch nicht mehr planbar ist. Und das löst naturgemäß Angst aus. Große Angst. Panik!

Eine dieser Ängste ist zum Beispiel die vor dem Großen Blackout, dem definitiven Stromausfall, wie er etwa in Marc Elsbergs gleichnamigem Besteller oder dem daraus entstandenen Fernsehfilm apokalyptisch geschildert worden ist: zu Mördern werden wir in wenigen Tagen, und zu Kannibalen bald darauf…
Maria Peters greift diese Angst augenzwinkernd auf und produziert eine Zeitung ganz ohne Strom. Der Text wird mit der Hand geschrieben, die Bilder per Hand gemalt und der Siebdruck per Sonnenbelichtung realisiert. Die "Newport Island Press" bringt News ganz analog. Unabhängig von Elektrizität, und so subversiv, wie es sich für eine anständige Kellerdruckerei gehört…

Die Artikel in der 1. Ausgabe der "Newport Island Press" greifen zwei Themen auf, die mit möglicherweise bevorstehenden Transformationen zu tun haben:

1) Die UAPs (Unidentified Aerial Phenomena = UFOs), die in den USA seit etwa zwei Jahren ein großes, bis zu Kongress-Hearings führendes Revival feiern. Wobei überhaupt nicht klar ist, wie belastbar die Realität ist, die dahinter steckt. Ob man es mit Außerirdischen oder mit irdischen Lebensformen zu tun hat, die schlicht in anderen Dimensionen existieren. Oder noch mit etwas ganz anderem.
Es stellt sich jedenfalls die gruselige Frage, ob wir wirklich die am höchsten entwickelte Spezies sind oder ob wir in dieser Rolle demnächst abgelöst oder einfach ausgelöscht werden.
Und wenn es nicht die UAPs sind, ist es vielleicht „die KI“, die uns versklavt…?!

2) Das immer stärker um sich greifende Deep Sea Mining, die Gewinnung von Rohstoffen am Meeresgrund, könnte den Wunsch entstehen lassen, für immer dort unten leben zu wollen (als einem aquatisch-kühlen Paradies). Dazu könnten Menschen genetisch so optimiert werden, dass sie keinen künstlichen Sauerstoff mehr brauchen, weil sie wieder Kiemen haben, – so wie sie vor Jahrmillionen jene Lebewesen hatten, von denen wir abstammen. Vielleicht ist ja was dran an der These, dass die Ontogenese die Phylogenese rekapituliert, wie Ernst Haeckel in seiner "Allgemeinen Morphologie" (1866) meinte. Möglicherweise steckt ja noch genug Fisch in uns (die rätselhafte fötale Anlage zu Kiemenbögen!), um daraus etwas zu machen.
Untergeordnete Menschenexemplare müssten dann weiter oben auf der wüsten Erdoberfläche leben und dürften nur sporadisch runter, um sauber zu machen oder den Müll nach oben zu bringen…
Oben zu sein wäre Strafe, und Migration und Flucht wären dann vertikale und keine horizontalen Bewegungen mehr.

Das großformatige Ölbild, das mit "The Big Transformation" betitelt den Namen für die ganze Ausstellung liefert, zeigt Menschlein, wie sie furchtbar wichtig umher wuseln und sich nicht bewusst zu sein scheinen, dass es gerade ihr rastloses Wuseln ist, das die Transformation vorantreibt. Mobilität, Kommunikation, Arbeiten, Unterhaltung... – alles wird zum Treiber.

Und die Transformation ist auch schon sichtbar! Ist das noch ein Bär, den man da sieht – oder ist das schon wieder ein Riesenfaultier, wie es nach der Ankunft des Homo sapiens in Südamerika ruckzuck ausgerottet worden ist und nun als Replikant wiederkehrt?
Und auch der Oktopus darf nicht fehlen. Ihm trauen ja manche zu, dass er irgendwann die Erdoberfläche erobern und sich mit seinen Tentakeln elegant von Ast zu Ast schwingen und durchaus auch Computer bedienen könnte.
Als ausgesprochenes Modetier begeistert er nicht nur die Kinder, sondern auch posthumanistische Intellektuelle und SubjektphilosophInnen. Er fasziniert mit neun Gehirnzentren, die zwar zu einem Individuum gehören, aber relativ unabhängig voneinander zu einer angeregten Diskussion untereinander beitragen können. Was also ist überhaupt noch ein ICH, eine personale Identität? Oder müssen wir uns demnächst auch von dieser liebgewonnenen Gewohnheit verabschieden, weil wir ja doch nichts anderes sind (und immer stärker sein werden) als ein wuselndes Kollektiv, das uns durch den Schädel saust?

"The Big Transformation" ist jedenfalls ein gewaltiger Tanz – einer, den man mit großer Angst und mit Knieschlottern, oder aber mit viel Lust und mit großer Freude an der unfassbaren Kreativität des Universums tanzen kann.

Maria Peters hat sich für die zweite Variante entschieden!



Dr. Gunter Bakay, Wien September 2023