Das Generalthema des Projekts ist die Auflösung der uns bekannten Welt: die Verwandlung
von Lebens- und Arbeitsweisen so gut wie von biologischen Lebensformen. Menschen, Tiere,
Pflanzen – alles kann zum Gegenstand genetischer, mechanischer oder digitaler Manipulation
werden oder fällt sonst wie der großen Transformation zum Opfer. In jedem Falle ist die
terrestrische Zukunft so unvorhersehbar geworden wie nie zuvor, beziehungsweise war uns
noch nie zuvor so schmerzhaft bewusst, dass sie völlig unvorhersehbar und wohl auch nicht
mehr planbar ist. Und das löst naturgemäß Angst aus. Große Angst. Panik!
Eine dieser Ängste ist zum Beispiel die vor dem Großen Blackout, dem definitiven Stromausfall,
wie er etwa in Marc Elsbergs gleichnamigem Besteller oder dem daraus entstandenen Fernsehfilm
apokalyptisch geschildert worden ist: zu Mördern werden wir in wenigen Tagen, und zu Kannibalen
bald darauf…
Maria Peters greift diese Angst augenzwinkernd auf und produziert eine Zeitung ganz ohne Strom.
Der Text wird mit der Hand geschrieben, die Bilder per Hand gemalt und der Siebdruck per
Sonnenbelichtung realisiert. Die "Newport Island Press" bringt News ganz analog. Unabhängig
von Elektrizität, und so subversiv, wie es sich für eine anständige Kellerdruckerei gehört…
Die Artikel in der 1. Ausgabe der "Newport Island Press" greifen zwei Themen auf, die
mit möglicherweise bevorstehenden Transformationen zu tun haben:
1) Die UAPs (Unidentified Aerial Phenomena = UFOs), die in den USA seit etwa zwei Jahren ein
großes, bis zu Kongress-Hearings führendes Revival feiern. Wobei überhaupt nicht klar ist,
wie belastbar die Realität ist, die dahinter steckt. Ob man es mit Außerirdischen oder mit
irdischen Lebensformen zu tun hat, die schlicht in anderen Dimensionen existieren. Oder noch
mit etwas ganz anderem.
Es stellt sich jedenfalls die gruselige Frage, ob wir wirklich die am höchsten entwickelte
Spezies sind oder ob wir in dieser Rolle demnächst abgelöst oder einfach ausgelöscht werden.
Und wenn es nicht die UAPs sind, ist es vielleicht „die KI“, die uns versklavt…?!
2) Das immer stärker um sich greifende Deep Sea Mining, die Gewinnung von Rohstoffen
am Meeresgrund, könnte den Wunsch entstehen lassen, für immer dort unten leben zu wollen
(als einem aquatisch-kühlen Paradies). Dazu könnten Menschen genetisch so optimiert werden,
dass sie keinen künstlichen Sauerstoff mehr brauchen, weil sie wieder Kiemen haben, – so
wie sie vor Jahrmillionen jene Lebewesen hatten, von denen wir abstammen. Vielleicht ist
ja was dran an der These, dass die Ontogenese die Phylogenese rekapituliert, wie Ernst Haeckel
in seiner "Allgemeinen Morphologie" (1866) meinte. Möglicherweise steckt ja noch genug Fisch in
uns (die rätselhafte fötale Anlage zu Kiemenbögen!), um daraus etwas zu machen.
Untergeordnete Menschenexemplare müssten dann weiter oben auf der wüsten Erdoberfläche leben
und dürften nur sporadisch runter, um sauber zu machen oder den Müll nach oben zu bringen…
Oben zu sein wäre Strafe, und Migration und Flucht wären dann vertikale und keine
horizontalen Bewegungen mehr.
Das großformatige Ölbild, das mit "The Big Transformation" betitelt den Namen für die ganze
Ausstellung liefert, zeigt Menschlein, wie sie furchtbar wichtig umher wuseln und sich
nicht bewusst zu sein scheinen, dass es gerade ihr rastloses Wuseln ist, das die
Transformation vorantreibt. Mobilität, Kommunikation, Arbeiten, Unterhaltung... – alles
wird zum Treiber.
Und die Transformation ist auch schon sichtbar! Ist das noch ein Bär, den man da sieht – oder
ist das schon wieder ein Riesenfaultier, wie es nach der Ankunft des Homo sapiens in
Südamerika ruckzuck ausgerottet worden ist und nun als Replikant wiederkehrt?
Und auch der Oktopus darf nicht fehlen. Ihm trauen ja manche zu, dass er irgendwann die
Erdoberfläche erobern und sich mit seinen Tentakeln elegant von Ast zu Ast schwingen und
durchaus auch Computer bedienen könnte.
Als ausgesprochenes Modetier begeistert er nicht nur die Kinder, sondern auch posthumanistische
Intellektuelle und SubjektphilosophInnen. Er fasziniert mit neun Gehirnzentren, die
zwar zu einem Individuum gehören, aber relativ unabhängig voneinander zu einer
angeregten Diskussion untereinander beitragen können. Was also ist überhaupt
noch ein ICH, eine personale Identität? Oder müssen wir uns demnächst auch
von dieser liebgewonnenen Gewohnheit verabschieden, weil wir ja doch nichts
anderes sind (und immer stärker sein werden) als ein wuselndes Kollektiv, das
uns durch den Schädel saust?
"The Big Transformation" ist jedenfalls ein gewaltiger Tanz – einer, den man mit
großer Angst und mit Knieschlottern, oder aber mit viel Lust und mit großer Freude
an der unfassbaren Kreativität des Universums tanzen kann.
Maria Peters hat sich für die zweite Variante entschieden!